In der Übergangsphase zwischen Klassik und Romantik entstand insbesondere im Diskurs zwischen Fichte, Herder und Novalis die Grundlage einer neuen Kultur: einer Kultur  der seelischen Intensität

 

Mit diesen Begriffen erfassten sie einen Bereich unserer Existenz, der weder äußerlich-materiell noch abstrakt innerlich geistig, sondern in gewissem Sinne deren lebendige menschliche Mitte ist. Sie erkannten: Die Seele kommuniziert mit ihrer Umwelt über Intensitätsvorgänge. Diese Innigkeit ist jedoch kein Rückzug aus der Wirklichkeit, sondern Medium ihrer intensiven Aneignung „in die Gestalt ihres Wesens“.

 

Dadurch entsteht ein neuer Denk-, Ordnungs- und Entwicklungsraum für menschliche Entwicklung und ganzheitliches Menschsein. Er ermöglicht das Selbstbewusstsein einer geformten Seele, die anfängt, intensiv wie extensiv „über die äußern Vorstellungen zu herrschen“. Sie gibt der „Aufmerksamkeit Richtung, diesem Bilde ihrer  Natur gemäß Innigkeit und Tiefe; jenem Ausbreitung, Dauer, Fülle.“

 

So entstand der Entwurf einer neuen kulturellen Logik des essentiellen und intensiven Tauschs, für die damals jedoch die Zeit noch nicht reif war. Ihr Ziel ist ein neues Bildungsparadigma von Mensch, Kultur und Gesellschaft, das sich durch das Medium seelischer Intensität auch neu mit der äußeren Welt verbindet.

Heute, in Zeiten ökologischer und seelischer Krisen, die durch die bisherige vor allem äußerlich wissenschaftlich-technische Art und Weise des Umgangs damit offenbar nicht zu bewältigen sind, könnte diese neue Qualität einer seelisch-intensiven Resonanz und Erfülltheit des Menschen mit sich selbst sowie mit anderen Menschen und der Natur zunehmend bedeutsam werden.

  

Ästhetisch-erotische Transformation,


diesen Begriff prägte Herbert Marcuse (einer der Inspiratoren der 68´er Kulturrevolution) auf der Suche nach Befreiungswegen aus dem in vieler Hinsicht erfolgreichen, doch seine eigenen natürlichen und seelischen Grundlagen untergrabenden modernen Kapitalismus.

 

Seine Schlussfolgerungen sind ähnlich denen von Novalis, Lyotard (siehe unter "Intensität") und Rudolf Bahro (siehe unten): Es geht um eine Veränderung der weitgehend unbewussten tiefenkulturellen Grundlagen, die uns von uns selbst, von anderen Menschen und von der Natur abspalten. Da eine neue Kultur und der Weg dahin auch neue Begriffe braucht, versuchte Marcuse es als "ästhetisch-erotische Kultur" zu fassen.

 

„Ästhetisch“ bedeutet für ihn: mehr innere Leichtigkeit und Intensität, Sensibilität und Emanzipation der Sinne.  In mancher Hinsicht genau das, was bereits Friedrich Schiller in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen entwarf. Einiges dazu siehe hier.

„Erotisch“ bedeutet für ihn nicht primär Sexualität, sondern ein generell intensiveres und freieres Spiel der Resonanz mit anderen Menschen, der gesamten Natur und so letztlich auch sich selbst. Einiges dazu weitergedacht siehe hier

Auch wenn Marcuse die Begriff der Seele und seelischer Resonanz dabei nicht nutzte, so deuten seine Bestimmungsversuche einer ästhetisch-erotischen Transformation genau in jene Richtung, die wir hier mit den Begriffen dieses Lab als eine seelische Transformation der modernen Kultur bezeichnen können.

 

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Ähnlich wie Novalis und Marcuse argumentierte Rudolf Bahro und plädierte in seinem Buch "Über Grundlagen ökologischer Politik" für eine Kultur der Liebe.
R.Bahro-Kultur der Liebe.pdf
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